15.
Nov.
 

 

Zu Besuch in Hilfszentren des Vereins ´Indienhilfe Wasser ist Leben`

von Gerda Geretschläger

Zusammen mit Enkeltochter Anna und Ehepaar Bentler, besuchte ich vom 04.-14. November einige Hilfszentren der ´Indienhilfe Wasser ist Leben` in und rund um Mumbai. Dr. Reinhard Bentler, langjähriger Bürgermeister der Gemeinde Gundelfingen, wollte vor Ort die Arbeit der Initiative und Partnerorganisation kennenlernen. Die Initiative war beim Schulfest 1995 der Johann-Peter-Hebel Grundschule Gundelfingen ins Leben gerufen worden und stand von 1995 bis zur Vereinsgründung 2008 unter der Verwaltung der Gemeinde. Mitglieder der indischen Partnerorganisation hatten der Gemeinde Gundelfingen zwischen 1997 - 2017 bereits fünf Besuche abgestattet und den Bürgermeister mehrfach zum Gegenbesuch eingeladen.

Mumbais zwei Gesichter
Der Jeep bringt uns in die City. Mit an Bord ist Schwester Regina, die rechte Hand der Ordensleitung und zuständig für die deutschen Gäste. Von Andheri aus, gelegen im Norden der Stadt, geht es unter verhangenem Himmel auf Schnellstraßen in den Süden, vorbei an Armensiedlungen aus Wellblech-und Plastikverschlägen, vermüllten Abwasserkanälen und Müllhalden, modernsten Wohnanlagen, Bürotürmen und Glaspalästen. Neben den Straßen sprießen zahllose Betonstelzen aus dem Boden, geplant für zweigleisige Hochbahnen. „2015 wurde mit dem Bau begonnen, Ende nächsten Jahres soll alles fertig sein“, Sr. Regina.

Dafür - so werden wir informiert, - wird der deutsche Siemens-Konzern Signaltechnik und Leitungen liefern und China die Züge. Drei Viertel des notwendigen Stroms sollen über Solarpanels auf den Stationen besorgt werden. Entstehen sollen hochmoderne Bahnen, kombiniert mit sauberer Energie.

"Bahnen dieser Art enstehen derzeit in vielen Großstädten Indiens. Dort wachsen die Einwohnerzahlen rapide", Sr. Regina.

Hupkonzerte und das Gewühl von Fußgängern, Hunden, Kühen, Händlern, Rikshas, Lastwagen, Motorrädern, Scootern, mitunter auch sehr edlen PKWs, bringen uns - jedoch nicht unseren Fahrer - so ziemlich aus der Ruhe. Auf dem Weg in die City

Im Zentrum der Megacity erleben wir Glamour und Wohl­stand. Neben breiten Straßen erheben sich gepflegte Hotels, Parks, Sportan­lagen, Colleges, Kliniken und prächtige Gebäude aus viktorianischer Zeit. Weggeblasen ist der graue Himmel, er strahlt azurblau. Wir stärken uns im Cafe ´Leopold`. Mumbai Höhepunkt ist der Besuch des Gandhi-Museums. Gandhi Museum Auf dem Rückweg haben wir uns schon etwas gewöhnt an Hupkonzerte, Überholmanöver und an das - für unsere Begriffe - regellose Fahren.

 

Zu Gast in einem Fischerdorf

Nach der Hektik der Großstadt genießen wir den wolkenlosen, blauen Himmel und die beschauliche Ruhe in den beiden Fischerdörfern Uttan Chowk und Uttan Pali, ca. 50 Meilen nordwestlich von Mumbai. Wir werden von vielen fröhlichen Kindern und Frauen begrüßt und zu Fischertänzen und Liedern eingeladen.´Wasser ist Leben` unterstützt hier Kinder und Jugendliche bei Schul-und Berufsausbildungen. Empfang im Fischerdorf

Die Fischer nehmen uns mit zu einer Rundfahrt auf einem Fischerboot. "Je 20-25 Familien besitzen und betreiben gemeinsam solch ein Boot, der Fang wird geteilt. Das Leben eines Küstenfischers ist mühsam. Wegen Überfischung der Meere gibt es oft nur sehr geringe Fänge. Während der Monsunzeit können die Fischer mit den kleinen Booten nicht aufs Meer hinausfahren. Zu dieser Zeit reparieren sie die Netze und verdingen sich häufig als Tagelöhner in der Großstadt. Die Kinder werden dann den Großeltern überlassen“, Sr. Nancy, die uns dahin begleitet. Bei den Fischern

 

Lichterfest im Kinderdorf ´Naya Jivan`

Im Mädchenheim ´Naya Jivan`, (unterstützt seit 1995), gelegen an der Autobahn Mumbai-Delhi, etwa zwei Stunden von Andheri entfernt, werden wir mit Blumenkränzen und Liedern von 150 fröhlichen Mädchen empfangen. Empfang im Kinderdorf Man feiert das Divali-Fest, das ´Lichterfest`. Es ist das größte Fest der Hindus und wird über mehrere Tage gefeiert. Die Kinder haben Häuser und Wege mit Laternen und phantasievollen Bodenmalereien geschmückt. Die Mädchen laden uns in ihre Häuser ein zu Gesängen und farbenfrohen Lichtertänzen. Lichterfest

Wir informieren uns über den Zustand der Wohnhäuser, Küche, Trinkwasser- Bewässerungs- und Solaranlagen, Leben im Kinderdorf  über den Gesundheitszustand der Kinder, die Verfahren bei Inobhutnahme, die ärztliche und psychologische Betreuung der Mädchen, über Essenspläne, Aufklärungskurse, über das´Kinderparlament`, Reinigungsdienste, Nachhilfe, über die beruflichen Perspektiven der jungen Frauen und die Zusammenarbeit mit den Behörden. "Für 2019 ist die Eingliederung der Mädchen HIV/pos aus der benachbarten Einrichtung geplant und ein englisch sprachiger Kindergarten", so die Leiterin.

Auf den Äckern treffen wir Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem umliegenden Dorf. „2018 gibt es eine gute Gemüse- und Reisernte. Der Ertrag wird wohl ein Drittel unseres Bedarfs abdecken“,  Sr. Kulkanti, Leiterin der Farm. Auf dem Reisfeld dürfen wir mit der Sichel Hand anlegen beim ersten Ernteschnitt.  Reisernte

Im Kuhstall stehen acht Kühe, ein Bulle und ein paar Kälbchen. „Wir haben bis zu 35 Liter Milch täglich. Auf Milch sind ganz besonders unsere kranken Kinder angewiesen. Täglich bekommen sie zwei Glas frische Milch“, Sr. Bridget, Leiterin. Im Stall nebenan wohnen Hühner, Kaninchen und Küken.

Auf die Frage nach Unkrautvernichtungsmittel und Düngung: "Wir verwenden keine Unkrautvertilgungsmittel, unsere Mädchen rupfen das Unkraut. Die Gemüsefelder werden organisch gedüngt. Neu angepflanzte Mangobäumchen und Bananenstauden versorgen wir mittels Tröpfchenbewässerung, das Obst muss teilweise gespritzt werden". Auf der Farm

Auf die Frage nach Sicherheitsmaßnahmen: "Die neu errichtete Schutzmauer rund um die Wohnanlage ist sehr wirksam. Die neue Schutzmauer oberhalb der Farm ist jedoch nur bedingt wirksam, da die Mauer nicht das gesamte Farmgelände umschließt. Die Schweine aus der angrenzenden Adivasisiedlung dringen noch immer ein und verwüsten unsere Anpflanzungen. Wir können nichts dagegen tun. Diese Bevölkerungsgruppe steht unter besonderem staatlichen Schutz“, so die Leiterin. Wir werden gebeten, die Finanzierung eines Traktors und die Finanzierung für die Verlängerung der Schutzmauer zu übernehmen.

Bewässerungsplan für das Gesundheitszentrum ´Mukhta Jivan`

Etwa 10 Minuten vom Kinderdorf entfernt werden ca. 225 Menschen stationär betreut: Kinder und Frauen HIV/pos., Frauen und Männer mit Geschwüren und Lepra, dazu viele alte Frauen und Männer, die sonst nirgendwo eine Bleibe haben. Angeschlossen ist  eine Behindertenwerkstatt, eine Farm mit Viehstall, Gemüse-Obstanbau und eine Ambulanz. Die Patienten kommen aus der gesamten Region. Werkstatt und Farm 

Der Trinkwasserbrunnen befindet sich inmitten eines Regenwasserspeichers und trocknet selbst in den heißesten Monaten nicht mehr aus. (Der Speicher wurde 2011 finanziert). Vor Monsunbeginn 2018 wurden die Innenwände  neu aufgemauert und der Brunnen von Schlamm, Algen, Unrat und Ungeziefer befreit. Trinkwasserbrunnen im Wasserspeicher

Beim Gang durchs Gelände zeigt man uns einen weiteren Brunnen, der bislang ab November austrocknete. Um diesen Brunnen zur Bewässerung der Gemüsefelder zu aktivieren und die Erosion zu stoppen, sollen nun quer zum Hang Erdwälle aufgeschüttet und drei natürliche Tobel mit Staudämmchen und Wasserspeichern ausgestattet werden. Das konservierte Wasser soll dann in diesen Brunnen eingeleitet und mittels einer Solarpumpe in umliegende Gemüsefelder gepumpt werden. Wasserprojekt in Planung

Im Slum Malwani/Mumbai

(Bildungsförderung seit 2005) 

Die Vorstadt Malwani liegt im Nordwesten der Metropole. Unsere Partnerinnen betreiben hier eine Förderschule und eine Frauenbildungsstätte.Wir treffen Sr. Irene mit zwei Mitschwestern. Die Schwestern laden uns ein zu einem Gang durch den Slum. Die Hütten bestehen aus Wellblech und Plastikverschlägen – viele Hütten haben Schüsseln auf dem Dach, "Wahlgeschenke von Politikern", so die Schwestern. Ab und zu werden wir freundlich von Frauen freundlich begrüßt und in die Hütten eingeladen. Die Schwestern sind mit ihnen wohlbekannt.

„In Mumbai finden alle Leute Arbeit, sei es als Müllsammler, im Wohnungs- Straßen-und Brückenbau, als Hausangestellte und Kindermädchen. Etwa 60 Prozent von Mumbais Bevölkerung leben in Slums, so um die 13 Millionen. Die Familien stammen aus allen Regionen Indiens. Die Familien kommen, weil ihr Land sie nicht mehr ernähren kann. Die Monsunregen fallen immer spärlicher aus oder bleiben gar ganz aus. In unserem Bezirk leben etwa 35.000 Menschen", Sr. Irene.

Auf die Frage nach Trinkwasser, Toiletten und Mietkosten: "Fließendes Wasser und Toiletten gibt es in den Hütten nicht. Allmorgendlich beginnt der Kampf ums Wasser. Die Mieten sind fast unerschwinglich hoch. Eine Hütte, gerademal 2,50 m x 3 m groß, kos­tet bis zu 50 EURO Miete. Dazu kommen Kosten für Strom. Kinder müssen oft zum Familieneinkommen mit beitragen", Sr. Irene. Ein Leben im Slum

Besuch der Förderschule - Mit Bildung nach oben

In dem 30 Quadratmeter großen Klassenzimmer haben sich etwa einhundert Kinder versammelt, muntere Buben und Mädchen verschiedenster Herkunft, Kasten und Religionsgemeinschaften. Sie tragen Gedichte, Zahlenreihen und Lieder in vier verschiedenen Muttersprachen vor und auch in Englisch. Dazu schreiben sie Sätze auf in Urdu, Tamil, Marathi und Hindi. Zur Belohnung erhält jedes Kind eine Orange. „Die Kinder haben bis zur achten Klasse kostenlosen Zugang zu öffentlichen Schulen und bekommen täglich eine vom Staat gesponserte Schul­mahlzeit. Bei uns machen sie die Hausaufgaben“, Sr. Irene.

Besuch der Frauenbildungsstätte - Hilfe zur Selbsthilfe

In der neu sanierten Frauen-Bildungsstätte übergeben wir staatliche Zertifikate an zwölf junge Näherinnen. Unter der Anleitung eines Schneidermeisters hatten die jungen Frauen elf Monate lang, täglich zwei Stunden, das Nähen gelernt. Nach Kursabschluss darf jede Frau ihre Nähmaschine mit nach Hause nehmen. „Etliche junge Frauen werden ihr eigenes Nähgeschäft anmelden. Die Nachfrage nach Selbstgenähtem ist groß“, Sr. Irene. Zugang zu Ausbildungen und Arbeit

Auf der Dachterasse begrüßen uns 30 Frauen. Unter ihnen sind Bäckerinnen, Köchinnen und Frauen, die Schmuckstücke und Papiertaschen in Heimarbeit fertigen. Sie haben ihre Berufsausbildungen samt staatliches Zertifikat in dieser Einrichtung erlangt. „Seit Mumbai Plastiktüten verboten hat, finden Papiertaschen reißenden Absatz“, Sr. Irene. In Heimarbeit

Acht Frauen stellen sich als Taxifahrerinnen vor. „Ihr Unternehmen läuft gut. Sie bedienen vornehmlich Frauen, Schulkinder und Pilger“, Sr. Irene. Auf der Dachterasse steht ein Simulator, auf dem angehende Taxifahrerinnen unter Anleitung trainieren können. Junge Unternehmerinnen

Gegen Abend treffen wir uns mit einer Gruppe Müllsammlerinnen, meist älteren Frauen, die seit sechs Uhr in der Frühe bei der Arbeit sind. Müll gibt es hier überall: Auf Straßen, Gehwegen, in Abwasserrinnen und in Kanälen. Die Frauen sammeln den Müll in große Säcke und sortieren des Nachmittags ihre Fundstücke. Am Abend kommt der Händler, wiegt die Säcke ab und bezahlt die Frauen aus. „Jede Frau legt allmonatlich RS 200 in einer Genossenschaftsbank an (umgerechnet EURO 1,50)“, Sr. Irene.                                                                                  

Die Frauen-Vertreterin zeigt uns ein sehr gewissenhaft geführtes Heft, indem sie alles genau notiert hat.

„Die Bank wird von den Frauen selbst verwaltet. Bei Bedarf können diese Frauen ein Darlehen in Anspruch nehmen zu zwei Prozent Zins. Das macht sie unabhängig von öffentlichen Banken und Zinshaien. Insgesamt 350 Frauen unseres Slums haben sich in Selbsthilfegruppen organisiert. Die Gruppenleiterinnen werden regelmäßig geschult und kümmern sich bei den Behörden auch um sauberes Trinkwasser und Sanitäranlagen“, Sr. Irene. Bei den Müllsammlerinnen

Im Kleinen Sinnvolles bewirken

Wir haben sehr viel Not und Elend gesehen. Gleichzeitig aber haben wir erlebt, dass im Kleinen Viel bewirkt werden kann.

Unser Verein wird auch weiterhin tätig sein in den Bereichen Gesundheitsfürsorge, Bildung und Klimaschutz.

Unsere Partner/innen leisten großartige Arbeit! Davon konnten wir uns vor Ort überzeugen.

Ihre Hilfe ist sehr wertvoll!

Herzlichen Dank für jede noch so kleine Unterstützung!

IBAN: DE16 6806 0003 0303 00